Wir Narkoseärzte und Ärztinnen (auch Anästhesisten und Anästhesistinnen genannt) vom Arbeits- kreis Kinderanästhesie (WAKKA) möchten Ihnen als Eltern und Ihnen als interessierte Patienten ei- nige allgemeine Informationen über die Narkose und den Ablauf des Operationstages geben.
Eine Operation, ein diagnostischer Eingriff steht bevor
Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Sie unterscheiden sich durch ihren Körperbau, die Größe und die Stoffwechselfunktionen. Und Kind ist nicht gleich Kind. Kinder unterscheiden sich entsprechend ihres Alters hinsichtlich ihres psychischen Erlebens und Verarbeitens einer Krankheit und eines Krankenhausaufenthaltes und der Möglichkeit, sich mit ihnen zu verständigen.
Verantwortungsbewusst prüfen wir welche Narkosemethode notwendig ist. Eine Vollnarkose kann gegebenenfalls auch gekoppelt werden mit einer Teilnarkose (auch Regionalanästhesie) genannt.
Wir begleiten Sie und Ihre Kinder vor, während und nach der Operation. Wir sorgen für einen sanften Abschied von den Eltern, ein schnelles Einschlafen in einen tiefen Schlaf und erleichtern das Aufwachen. Während der Operation überwachen wir den Schlaf und sorgen für altersentsprechende und stabile Kreislauf- und Atembedingungen. Auch nach der Operation sorgen wir im Aufwachraum für einen möglichst kindgerechten Aufenthalt und begleiten den Übergang zurück in die stationäre Betreuung oder bis zur Entlassung bei ambulanten Eingriffen.
Was ist Narkose
"Narkose ähnelt einem sehr tiefen Schlaf, bei dem in der Regel eine künstliche Beatmung notwendig ist und die Atem- und Kreislauffunktion genau überwacht werden müssen". Die Narkose gehört zur Operation unabdingbar dazu und wird speziell dafür ausgebildeten Anästhesistinnen und Anästhesisten durchgeführt.
Vorbereitung
Wir wissen, dass diese Situation - eine geplante Operation - häufig Angst und Unbehagen auslösen kann trotz hoher medizinischer Standards und strenger Sicherheitsbedingungen. Sprechen Sie mit Ihrem Kind über die Narkose und Operation. Das nimmt ihm die Angst vor dem Ungewissen und schafft Vertrauen. Vom Aktionskommittee „Kind im Krankenhaus“ wurden 10 Bitten an die Eltern formuliert. https://root.akik.de/phocadownload/akik-10-bitten-2016.pdf
Babys bis Kleinkinder
Ihr Kind kann noch nicht verstehen, was es bedeutet krank zu sein, oder was eine Operation ist. Das Wichtigste für Ihr Kind ist verlässliche Nähe zu seiner Bezugsperson. Wir bitten sie Ruhe und auch eine positive Haltung auszustrahlen, Sie vermitteln Ihrem Kind damit Sicherheit und auch Geborgenheit, damit helfen Ihrem Kind so am besten.
Grundschulkinder
Wenn Ihr Kind älter wird, kann es immer besser verschiedene Zusammenhänge zwischen der aktuellen Situation, Auswirkungen und Ursachen verstehen. Viele Kinder haben noch ein sehr magisches Denken und können auch sehr leicht mit einer Geschichte abgelenkt werden. Es empfiehlt sich die Situation kindgerecht zu erklären und auf die bevorstehende Operation auch mithilfe einer Geschichte. Ihre Anwesenheit und die positive Grundeinstellung sind weiterhin sehr wichtig und geben Sicherheit für Ihr Kind.
Ältere Schulkinder
Wenn Ihr Kind schon aus dem Grundschulalter entwachsen ist, versteht es auch schon komplexe Zusammenhänge. Ihr Kind ist daran interessiert zu wissen was nun passiert und auch welche Möglichkeiten es gibt. Nutzen Sie auch die Möglichkeit im Prämedikationsgespräch Fragen an ihre betreuende Anästhesistin oder Anästhesisten zu stellen. Sprechen Sie alles an, was Ihnen unklar ist oder Sorgen bereitet.
Das Prämedikationsgespräch
Die Betreuung durch die Anästhesiologie beginnt mit diesem Prämedikationsgespräch. Bei diesem Gespräch wird über die Art der Anästhesie (Vollnarkose, Regionalanästhesie, Kombination aus bei- den Verfahren) informiert. Anhand eines Fragebogens werden die wichtigsten Fragen und die medizinische Vorgeschichte Ihres Kindes erfragt. Wenn Sie Arztbriefe oder Befunde (Vorerkrankungen, Herzfehler, Allergien, oder vorangegangene Operationen) haben, bitten wir Sie diese zum Gespräch mitzubringen. Zum Beispiel muss bei einer Erkältung mit Schnupfen/Husten entschieden werden, ob man vielleicht die Operation verschieben muss. Der Ablauf des Operationstages wird Ihnen und Ihrem Kind während des Gespräches skizziert und erläutert.
Nüchternzeiten
Eine zeitgerechte Nahrungsaufnahme ist speziell für Säuglinge und Kleinkinder sehr wichtig, da eine überlange Nüchternheit genauso schädlich sein kann wie eine zu kurze. Daher sollen die genannten Zeiten möglichst genau eingehalten werden. Wir empfehlen, Neugeborene und Säuglinge sogar nachts zu wecken und 3h vor OP zum Trinken zu animieren. Vor einer ambulanten Narkose sollte ihr Kind unbedingt noch ein Glas klare Flüssigkeit trinken, wenn Sie sich auf den Weg in die Klinik machen. Das folgende Schaubild zeigt noch einmal sehr genau, bis wann Ihr Kind welche Nahrungs- mittel zu sich nehmen darf. Bei Unklarheiten fragen Sie bitte nach.
Ambulante und stationäre Operationen
Sehr oft erhalten die Kinder und Jugendliche ein „Zauberpflaster“. Diese Salbe/Pflaster bewirkt, dass die Haut betäubt wird und der Nadelstich für die Einleitung der Narkose nicht schmerzt, sondern meist nur als Berührung wahrgenommen wird.
Alternativ kann auch die Einleitung der Narkose durch das Einatmen von „Schlafluft“ erfolgen. Dazu bekommen die Kinder eine „Fliegermaske“ aufgesetzt, mit deren Hilfe sie einen Luftballon aufpusten sollen. Dabei atmen die Kinder tief ein und aus und inhalieren so das Sauerstoff-Narkosemittelgemisch. Erst, wenn das Kind dann eingeschlafen ist, werden die Infusionsnadeln angelegt.
Darüber hinaus wurde mit Ihnen und Ihrem Kind besprochen ob ein "Zaubersaft" verabreicht wird. Dieser Saft bewirkt eine beruhigende Wirkung und es kann sogar sein, dass Ihr Kind ein- schläft. „Zaubersaft“ beruhigt und erleichtert so den Kindern die notwendige Trennung von den Eltern. Er muss mit einem kleinen Schluck Wasser ganz schnell weggezaubert werden. Das kann Ihr Kind zuhaue schon üben: Einen Schluck von einem Getränk in ein Glas und ... Simsalabim und weg ist der Saft!
Je nach baulichen Gegebenheiten und je nach Institution können Sie Ihr Kind bis zum Einschlafen begleiten und sitzen beim Aufwachen aus der Narkose wieder an seiner Seite.
Wir freuen uns immer, wenn wir das Kuscheltier Ihres Kindes kennenlernen dürfen. Kuscheltiere geben Ihrem Kind eine Vertrautheit und uns die Möglichkeit Ihrem Kind eine Geschichte mit dem Kuscheltier zu erzählen.
Narkoseverfahren, Regionalanästhesie, Schmerztherapie
Während des gesamten Eingriffs überwachen wir Anästhesistinnen und Anästhesisten die Vitalparameter wie Atmung, Kreislauf, Temperatur.
Vollnarkose
Sind gefährliche Komplikationen in der Anästhesie möglich?
Die strukturelle Ausstattung mit moderner Anästhesietechnik und die hohe Qualifikation des Anästhesieteams sind entscheidend für die bestmögliche Sicherheit. Sowohl die heute zur Verfügung stehenden Medikamente und medizinischen Geräte, als auch die angepassten Arbeitsabläufe in der Kinderanästhesie erlauben heutzutage ein sehr hohes Sicherheitsniveau. Abhängig von Größe des operativen Eingriffs, vom Gesundheitszustand des Kindes und von individuellen Besonderheiten verbleibt allerdings ein kleines Restrisiko für Komplikationen, die durch lückenlose Überwachung so schnell wie möglich erkannt und therapiert werden.
Regionalanästhesie
Sehr oft ist es möglich und für Ihr Kind von Vorteil, wenn eine Regionalanästhesie angewendet wer- den kann. Bei Kindern wird die Regionalanästhesie fast ausschließlich in einem Dämmerschlaf durchgeführt. Die Anlage verursacht keine Schmerzen.
Periphere Regionalanästhesie
Bei der regionalen Regionalanästhesie kann eine einzelne Extremität (Arm oder Bein) getrennt behandelt werden und ist in der Folge dann meist vollständig schmerz- frei. Dies führt zu einer Verringerung von Schmerzmittel und Unruhe nach einer Operation. Es wird unterschieden zwischen einer Einmal Anlage und einem Katheter Verfahren. Bei der Einmal Anlage wird das Lokalanästhetikum an den Nerv platziert und die Wirkung hält mehrere Stunden an. Bei einigen Operationen kann es von Vorteil sein, wenn man einen dünnen Katheter (Schlauch) in den Bereich des Nervs legt. Über diesen Katheter kann dann mittels einer Pumpe auch über Tage das Schmerzmittel appliziert werden. Ein Katheter Verfahren wird immer gewählt, wenn es für die Zeit nach der Operation Vorteile hat, weil zum Beispiel mit der Physiotherapie geübt werden soll.
Zentrale Regionalanästhesie
Die meiste weltweit durchgeführte zentrale Regionalanästhesie bei Kindern ist eine sogenannte caudale Regionalanästhesie. Dieses Verfahren ist sehr sicher und kann für die Operation aber auch sie anschließende Schmerztherapie eingesetzt werden. Im Aufklärungsgespräch wird Ihnen detailliert erklärt, welches der zahlreichen zur Verfügung stehenden Verfahren für Ihr Kind sinnvoll ist.
Schmerztherapie
Die Schmerztherapie beginnt immer während der Operation. Wir verabreichen Ihrem Kind noch während der Narkose ein Schmerzmedikament, damit es nach dem Aufwachen möglichst keine, oder nur geringe Schmerzen hat. Für die Zeit nach der Narkose stehen verschiedene Schmerzmedikamente zur Verfügung, die auch auf der Station weiter gegeben werden.
Das Kind im Aufwachraum
Im Aufwachraum werden die Kinder noch so lange betreut, bis sie auf Station verlegt werden oder nach Hause entlassen werden können.
Bei Kindern sind Unruhe, Erregungs- und Angstzustände nach einer Narkose häufiger als bei Erwachsenen. Diesen Zustand wird als Aufwachdelirium. Es handelt sich dabei nicht um eine Unverträglichkeit der Narkose oder etwa eine Allergie, sondern um eine seltene, aber typische Reaktion des kindlichen Gehirns auf die Narkosemedikamente. Diese Symptome limitieren sich von selbst und bleiben folgenlos. Um diese Phase zu verkürzen unterstützen wir Ihr Kind. Eine gute Schmerztherapie und beruhigende Medikamente gehören hier zum Behandlungskonzept. Eine ruhige Atmosphäre im Aufwachraum und Ihr beruhigendes Verhalten helfen Ihrem Kind zusätzlich.
Was bedeutet „off label use“?
„Mein Kind soll ein Schmerzmittel im „off label use“ bekommen. Was bedeutet das?“ Im Aufklärungsgespräch vor der Operation informieren wir die Eltern ausführlich. Unter „off label use“ versteht man die Verabreichung eines Medikamentes für das der Hersteller des Medikamentes keine Zulassung beantragt hat. Dies kann zum Beispiel bestimmte Altersgruppen betreffen, deren Behandlung das entsprechende Medikament ursprünglich nicht entwickelt wurde, und wofür deshalb keine Zulassung beantragt wurde.
Wann immer Medikamente zur Verfügung stehen, die für den gewünschten Zweck bei einem Kind eine Zulassung haben, und deren Einsatz keine Nachteile für das Kind hat, werden wir diese bevorzugen. Wie überall in der Kinderheilkunde sind aber auch wir gelegentlich gezwungen, ausgewählte Medikamente trotz fehlender Zulassung anzuwenden, deren Sicherheit und Wirksamkeit in vielen internationalen Anwendungen und über einen sehr langen Zeitraum ausreichend bewiesen wurden, und die für den gewünschten Zweck beim Kind besser geeignet sind als zugelassene Medikamente. Dieses übliche Vorgehen wird allgemein mit dem englischen Terminus „well-established off label use“ (gut bewährter Einsatz außerhalb der Zulassung) bezeichnet.
Betroffen sind hiervon insbesondere einige Schmerzmittel, aber auch muskelerschlaffende Substanzen (Muskelrelaxantien), die für die Narkose benötigt werden. Der „well-established off label use“ dieser Arzneimittel wird mit großer Sorgfalt, aber auch mit großem Erfolg für die Kinder durchgeführt.